Toys "R" Us CEO David Brandon trotz Pleite mit 18 Mio. belohnt!

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Toys "R" Us CEO David Brandon trotz Pleite mit 18 Mio. belohnt!
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Toys "R" Us: CEO trotz Pleite mit 18 Mio. belohnt!

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+++Toys "R" Us-Boss David Brandon darf sich auf Sonderzahlungen von 18 Mio $ freuen.+++

+++Sein Erfolg bemisst sich an der umstrittenen Berechnungsgröße EBITDA+++

von Elmar Wigand

Der Toys "R" Us-Aufsichtsratsvorsitzende (CEO) David A. Brandon darf sich für das Jahr 2017 auf Vergütungen und Boni von rund 18 Millionen US-$ freuen – auch nachdem er die Spielwaren-Kette am 19. September 2017 in die Pleite geführt hat. Das geht aus öffentlich einsehbaren Verträgen hervor.[1] [2] Das Toys "R" Us-Management äußerte sich auf Nachfrage nicht.

Damit liegt Brandon weit über dem, was deutsche Top-Manager einstreichen und was hierzulande regelmäßig für Empörung sorgt.

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► Mehr als alle deutschen Top-Absahner

Nur Springer-CEO Mathias Döpfner bekam mit umgerechnet 22 Mio US-$ mehr Cash auf die Flosse als Brandon – die Fachwelt streitet allerdings über die korrekte Berechnung seiner Bezüge durch die "Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz" (DSW) und die TU München.

Das nächste deutsche Schwergewicht in der Rangliste der Top-Absahner ist SAP-Chef Bill McDermott mit umgerechnet 16 Mio US-$ vor Daimler-Boss Dieter Zetsche.[3]

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► Keine Panik nach Toys "R" Us-Pleite: Deutschland-Geschäft nicht betroffen?

Toys "R" Us beschwichtigt die Beschäftigten in Deutschland, was die Bedeutung der Insolvenz angeht. Man sei nicht Teil der US-Mutter, die steuerlich in der Finanzoase Delaware veranschlagt ist und operativ aus Wayne im Bundesstaat New York Jersey (geä. H.S.] geleitet wird, sondern gehöre zum britischen Toys "R" Us-Ableger. Dieser sei gesund.

Zweifel bezüglich der Eigenständigkeit sind angebracht. Tatsächlich laufen alle Fäden in Wayne zusammen; das deutsche Management hat – wie in US-Unternehmen üblich – wenig Gestaltungsspielraum.

► Finanzhaie haben sich an dickem Brocken verschluckt

Toys "R" Us war 2005 für 5,8 Mrd. US-€ von einem Konsortium aus den Investementfonds Bain Capital und KKR sowie dem Immobilien-Trust Vornado gekauft worden.[4]

Nach dem Weltfinanzcrash von 2008 gelang es bislang nicht, eine Ausstiegsstrategie zu finden. Ein für 2013 geplanter Börsengang musste abgesagt werden. Brandon, der bereits früher für Bain gearbeitet hatte, wurde 2015 eingesetzt, um das Ruder herum zu reißen.

Toys "R" Us schweigt sich bislang darüber aus, ob die obszön wirkende Summe von 18 Mio. für ihren Pleite-Manager tatsächlich ausgezahlt wird.

► Belohnung für systematisches Lohndumping

Kritikwürdig ist nicht nur Brandons Belohnung trotz dauerhaften Misserfolgs, sondern auch der Kontrast zum dem erbärmlichen Lohn, den Toys "R" Us in Deutschland zahlt – er liegt oft nur knapp über Hartz IV-Niveau und zumeist unter einer Marge, die eine Rente über der Armutsgrenze ermöglicht.

Folgendes ist zu beachten: Brandon verdient seine 18 Millionen nicht etwa trotz der schlechten Behandlung von Beschäftigten, Betriebsräten u. Gewerkschaftern, sondern wegen systematischen Lohndumpings und Tarifflucht.[5] [6]

Seine Philosophie ist die gnadenlose Kostensenkung. Beschäftigte sind für Leute wie Brandon in erster Linie Kostenfaktoren. Genau hier liegt auch der Grund für den unaufhaltsamen Niedergang der Kette.

Ein Spielwarenladen sollte an Kinder und Junggebliebene letztendlich mehr verkaufen als in China zusammengeschweißtes Plastik, sondern Phantasie, soziale Interaktion, familiäre Idylle, Spaß, Spannung und Liebe. Diese Werte müssen durch Menschen vermittelt werden – die Verkäuferinnen und Verkäufer.

► Schier unlösbare strukturelle Probleme

Monopolistischer Spielzeugmarkt-Kannibale Toys "R" Us ist Amazon schutzlos ausgeliefert: Brandon und seine Controller haben den Spielwarenhandel in ein seelenloses Verkaufsmonster verwandelt, das am Standrand angesiedelt ist.

Der Besuch bei Toys "R" Us basiert auf dem Auto – bereits das Hinkommen ist nervig und unökologisch. Von den Gewerbegebieten aus wurden mittels Preisdumping beinahe sämtliche innerstädtische Spielwarenläden in Deutschland in den Ruin getrieben. Heute gibt es allenfalls in Großstädten noch spezialisierte Nischenhändler.

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Nun begann dieser letzte übrig gebliebene Kannibale – nachdem er alle anderen Einwohner auf seiner Insel verspeist hatte – sich selbst zu verzehren. Das Management weidet den Konzern aus und folgt dabei dem Universal-Rezept us-amerikanischer Unternehmensberater und ihrer Nachahmer: „Optimierung der Wertschöpfungskette“, permanente Kostensenkung durch Lohndumping, Flexibilisierung, Verdichtung der Arbeit.

Den Aufstieg des Online-Handels verschlief Toys "R" Us in der Hybris des unanfechtbaren Monopolisten. Als ein neues seelenloses Monster namens Amazon auf den Plan trat, war Toys "R" Us ihm schutzlos ausgeliefert.

Wozu mit dem Auto an den Stadtrand fahren, wenn man das Zeug online bestellen kann und DHL, UPS, Hermes die Ware nach Hause liefern?

Diese Zwickmühle wurde durch den Welt-Finanzcrash von 2008 nicht kleiner. Die Rekordsumme von 5,8 Mrd. US-$, die Toys "R" Us vor dem Crash gekostet hat, wird heute nicht mehr reingeholt werden. Das Ganze ist ein Abschreibungsgeschäft. Keiner der kühlen, auf Quartals-Zahlen fixierten Controller will dem faulen Geld noch Kredite für dringend notwendige Investitionen hinterher werfen, um Amazon im Online-Handel paroli zu bieten.

Man darf gespannt sein wie die Geschichte ausgehen wird. Ob sich doch noch ein Käufer für Toys "R" Us findet? Vielleicht in China?

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► Ein wirtschaftlicher Irrglaube namens EBITDA

Brandons Lage als CEO von Toys "R" Us gleicht also einem Himmelfahrtskommando. Dass Brandon trotz programmierten Misserfolgs noch auf horrende Bezüge hoffen darf, liegt an Klauseln in seinem Vertrag, die seine Leistung als Manager an der umstrittenen Größe EBITDA (englisch: earnings before interest, taxes, depreciation and amortization) messen. Hinter der Abkürzung stehen die englischen Begriffe für Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und (Firmenwert-)Amortisierungen.

toys_r_us_spielsachen_toy_juvenile_baby_kids_products_spielwarenhandel_spielwarenkette_dave_kritisches_netzwerk_bankruptcy_illiquiditaet_insolvenz_wayne_giftige_spielwaren.jpgEBITDA setzte sich als Vergleichswert für den Erfolg einer Firma ab Anfang der 1990er-Jahre durch – parallel zum scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg aggressiver Finanzinvestoren.[7]

EBITDA soll beziffern, wie viel Zinslast eine Firma tragen kann, ohne zu kollabieren. Denn das Geschäft aggressiver Investmentfonds basiert darauf, mit wenig Eigenkapital Kredite aufzunehmen und das aufgekaufte Unternehmen diese Kredite abzahlen zu lassen.

► Rote Zahlen sollen Beschäftigte und Gewerkschaften erpressen

So werden tiefrote Verlustzahlen erzeugt, um Belegschaften und Gewerkschaften zu Lohnsenkungen und Auslagerungen zu pressen. Die Investoren werden mit EBITDA beruhigt, das die gezielt herbei geführten, ja konstruierten Verluste durch Zinslasten und überhöhte Mietzahlungen heraus rechnet.

Pamela Stumpp, Managerin der Rating-Agentur Moody’s, erklärte im Jahr 2000 in einer viel beachteten Studie, dass die Betonung des EBITDA oft irreführend sei, da es den Cashflow (Kapitalfluss) zu sehr hervorhebe und wenig, wenn nicht sogar überhaupt nichts, über die Gewinnqualität aussage.

► Immer heiter weiter: Auch nach dem Welt-Finanz-Crash 2008

Der Aufstieg und Fall des längst vergessenen New Economy-Riesen und ehemaligen Börsen-Wunders AOL TimeWarner war eng mit EBITDA verbunden. Deren CEO Richard Dean Parsons führte den Begriff so oft im Munde, dass er es zu „Ibbidda“ vernuschelte – und sich zum Gespött der Analysten machte.

Das EBITDA von AOL TimeWarner hatte 2002 rund 8,8 Milliarden Dollar betragen, eine Steigerung um fünf bis sechs Prozent. Das klang wesentlich besser als ein Nettoverlust in Höhe von 53 Milliarden Dollar. Der hohe Verlust enthielt Abschreibungen in Höhe von 54 Milliarden Dollar, und zwar auf den überhöhten Preis, den AOL bei der Übernahme von Time Warner im Vergleich zu deren eigentlichem Wert gezahlt hatte.[8]

Es handelt sich bei EBITDA also um einen Rosstäuscher-Trick.[9] [10]

Obwohl Toys "R" Us laut Wirtschaftspresse seit 2013 in allen Quartalen außer dem Weihnachtsquartal rote Zahlen schreibt, konnte das Unternehmen bislang die geforderten EBITDA-Werte erreichen.

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Um Anrechte auf Langzeit-Boni zu bekommen muss Brandon in drei Jahren einen EBITDA von 600 Mio. US-$ erzielen. Für 2016 gab die Firma einen Wert von 792 Mio. US-$ bekannt, 2015 sollen es 800 Mio. gewesen sein. Dem gegenüber stehen Nettoverluste von 36 Mio. und 130 Mio. US-$.[11]

Elmar Wigand

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Erstveröffentlicht am 13.11.2017 auf arbeitsunrecht.de >> Artikel.

Die aktion ./. arbeitsunrecht ist ein Zusammenschluss von Arbeitern, Angestellten und engagierten Bürgern. Im Verein vernetzen sich Beschäftige, Betriebsräte und Gewerkschafter, Journalisten, Wissenschaftler, Rechtsanwälte und Menschenrechts-Aktivisten. Er hat Mitglieder in ganz Deutschland, das Büro ist in Köln. Die aktion ./. arbeitsunrecht sammelt Wissen und praktische Erfahrungen über aggressive Arbeitgeber und ihre professionellen Helfer, deren Strategien und Netzwerke. >> weiter.
 

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► Bild- und Grafikquellen:

1. Die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. – Initiative für Demokratie in Wirtschaft & Betrieb hat sich am 18. Januar 2014 in Köln gegründet. Der Verein ist unter der Urkundenrolle Nummer 478/2014 beim Amtsgericht Köln registriert. Er dokumentiert die systematische Bekämpfung von Beschäftigten, Betriebsräten und gewerkschaftlicher Organisierung in Deutschland. Die Initiative will durch Aufklärung und Analyse einen Beitrag zur Gegenwehr leisten. http://arbeitsunrecht.de/.

2. David (Dave) Brandon, CEO of Toys”R”Us - Fortune Brainstorm TECH 2016. PHOTOGRAPH BY STUART ISETT / Fortune Brainstorm TECH. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0). On September 19, 2017, Toys "R" Us filed for Chapter 11 bankruptcy.

3. America – Where you can grow up to be a bankster. Schach dem Finanzmarkt-Kapitalismus! Karikatur: Originalzeichner nicht ermittelbar, gefunden in diversen Artikeln, u. A. bei EconMatters.com, Veteranstoday.com, GlobalResearch.org etc.

4. "DIE GI€R DER SCHAMLOSEN IST SCHIER UNERSÄTTLICH". Grafik: Wilfried Kahrs (WiKa).

5. Texttafel: "FÜR DEN PROFIT DER REICHEN GEHEN SIE ÜBER LEICHEN." Grafik: Wolfgang Blaschka (WOB), München.

6. Toys R Us Manchester, CT 8/2014 by Mike Mozart of TheToyChannel and JeepersMedia on YouTube. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

7. Eine der ca. Toys “R” Us-Filialen der Welt. Toys “R” Us ist eine umgangssprachliche Kurzform für den englischen Ausspruch „Toys are us“, was frei übersetzt „Bei uns gibt's Spielzeug“ bedeutet. Seit der Annahme der heutigen Firma 1958 ist im Firmenlogo als auffälliges Merkmal ein seitenverkehrtes “R” zu sehen. Dies soll eine kindliche Falschschreibung darstellen. Diese Logo-Besonderheit wurde zu einem Markenzeichen des Unternehmens mit starkem Wiedererkennungswert. Foto: Open Grid Scheduler / Grid Engine. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz  CC0 1.0 Universell (CC0 1.0) Public Domain Dedication - Öffentliche Domain.

8. Einkaufswagen mit Spielsachen gefüllt in einer Toys “R” Us-Filiale., 2009. Urheber: U.S. Air Force Photo/ Staff Sgt. Joshua Garcia. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist ein Werk eines Angestellten der U.S. Air Force, das im Verlauf seiner offiziellen Arbeit erstellt wurde. Als ein Werk der Regierung der Vereinigten Staaten ist diese Datei gemeinfrei.

9. TOYS “R” US (Toys R Us), Oxford Road, Swindon on Christmas Eve. Quelle: Jaroslava Hašková - Mapio.net / http://mapio.net/. >> Foto.  Mapio.net is fast growing real-estate search engine and local interest information site. It has over 1.5 million pageviews monthly, primarily users from Germany, France, USA, United Kingdom, Czech Rep. and Brazil. Real-estate search, local information and picture galleries are two primary interests of Mapio.net users.

10. Buchcover: "Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung" von Werner Rügemer und Elmar Wigand, PapyRossa Verlag Köln, ISBN-13: 978-3-89438-555-2, zur ausführlichen Buchvorstellung mit Rezension und Interview - weiterlesen.

Die Autoren Werner Rügemer und Elmar Wigand untersuchen jene Schattenseiten des vermeintlichen deutschen Jobwunders, die in den Medien weitgehend ausgeblendet bleiben. Sie stoßen auf die Verletzung von Menschenrechten und geltenden Gesetzen durch aggressive Unternehmer und ihre Berater. Zu den Leidtragenden gehören Beschäftigte in Branchen und Unternehmen wie Discountern, Paketdiensten, Speditionen oder Systemgastronomie und im Niedriglohnsektor sowie Arbeitssuchende, die mit Hilfe der Jobcenter in miserable Verhältnisse gepresst werden.

Die Gründung von Betriebsräten ist heute, in Zeiten von sogenanntem Union Busting, der professionellen, bisweilen kriminellen Bekämpfung von Gewerkschaften, oft ein gefährliches Abenteuer. Diese Verhältnisse sind nicht alternativlos, weil politisch gewollt oder toleriert und mitunter brutal durchgesetzt. Rügemer und Wigand nehmen Netzwerke einschlägiger Akteure (Arbeitsrechtler, Medienkanzleien, PR-Agenturen, Unternehmensberater, Detekteien, Personalmanager, gelbe Pseudo-Gewerkschaften) in den Blick. Sie schildern deren Methoden und Strategien anhand von Fallbeispielen und Personenporträts.