Kein Gefühl mehr für die sozialen Umstände

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Kein Gefühl mehr für die sozialen Umstände
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Kein Gefühl mehr für die sozialen Umstände

Der Krieg und die unmittelbare Erfahrung

Von Gerhard Mersmann | Forum-M7.com

Eins ist mit und seit der Digitalisierung gelungen: Die weitgehende Zurückdrängung unmittelbarer Erfahrung. Die Schulen geben das beste Beispiel. Schülerinnen und Schüler sammeln ihre Erkenntnisse über die digitalen Medien. Das beginnt bei ganz basalen Geschichten. Da fällt kaum noch jemand hin und hat Schmerzen, da wird mit dem eigenen Körper nichts mehr ausprobiert, da klettert niemand mehr auf den Baum.

Wir kennen das. Und das, was sich nachweislich als ein großes Handicap bei der sozialen wie biologischen Sozialisation herausgestellt hat, erfasste die ganze Gesellschaft. Immer mehr expandieren die Möglichkeiten, die die digitalisierte Welt bietet. Und immer mehr Aufgaben, die die menschliche Existenz braucht, um überleben zu können, werden heute anders gemanagt.

Das geht bis zum täglichen Einkauf. Man muss nicht mehr ins Geschäft gehen, trifft niemanden auf dem Weg dorthin, muss sich nicht bei der Auswahl von Waren beraten lassen, steht nicht an der Kasse, beobachtet keine anderen Menschen mehr, sieht nicht, was sie kaufen, hört nicht, wie sie kommunizieren und macht sich kein unmittelbares Bild von den Verhältnissen im eigenen Quartier. Einfach online bestellen und ein schlecht bezahlter armer Teufel liefert alles direkt an der Haustür ab. Und auch mit dem findet kein Gespräch mehr statt. Es scheitert zumeist schon an der Sprachkompetenz.

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Damit kein falscher Eindruck entsteht: es ist so, wie es ist. Aber es erklärt, dass immer mehr Menschen im wahren Sinne der Formulierung kein Gefühl mehr für die sozialen Umstände haben, in denen andere leben. Unser Leben ist in hohem Maße abstrahiert und synthetisiert. Die Schmerzen, die man als Jugendlicher nach einer Schlägerei auf der Straße verspürte, sind für viele nicht mehr existent. Die, die diese unmittelbare Erfahrung noch machen dürfen, gelten als Prekariat oder als die „Bedauernswerten“.

Und da die unmittelbare, direkte Erfahrung nicht mehr stattfindet, wundert es nicht, wie viele Meldungen über Kriege und Kriegsverbrechen bei vielen abperlen, als seien sie dagegen imprägniert. Schlimmer noch: eine wachsende Anzahl so genannter Strategen, die sich in das Gewand des Moralismus gehüllt haben, schwadronieren auf dem Feld der Rechthaberei daher, ohne auch nur eine Sekunde über die Kalamitäten nachzudenken, die ihre Positionen verursachen. Den Rest, oder das unbeteiligte Publikum, schweigt dazu und hat allenfalls noch so ein dumpfes Gefühl, dass da etwas ganz fürchterlich in die falsche Richtung läuft.

Liste der militärischen "Unterstützungsleistungen" für die Ukraine (Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Stand: 10. April 2024) >> weiter. (ergänzt und aktualisiert durch Helmut Schnug).

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Die richtige Seite? . . . Gegen den Krieg!

Egal von welcher Seite!

Dagegen zu protestieren, lohnt sich aus der Perspektive vieler nicht, weil man sich den Schmerz nicht mehr vorstellen kann und weil man nicht riskieren will, ausgegrenzt und beschimpft zu werden. In einer solchen Gemengelage mutet es an wie eine Binsenweisheit, dass sich diese emotionale Distanz gegenüber dem mörderischen Treiben aufgrund von Machtansprüchen erst dann justiert, wenn im direkten Umfeld das Blut spritzt und die Schreie menschlichen Leids ohne technische Verstärkung in die Ohren dringt. Zumindest das sollten sich diejenigen, die heute noch unbeteiligt mit den Achseln zucken, durch den Kopf gehen lassen, ehe sie die nächste Online-Bestellung aufgeben.

»Am schlimmsten ist es, wenn man sagt: „Damit habe ich nichts zu tun. Das ist mir egal.“
Wer sich so verhält, verliert eine der wesentlichen und unverzichtbaren Eigenschaften,
die den Menschen ausmachen: die Fähigkeit zur Empörung und das Engagement, das daraus erwächst.«
(Stéphane Hessel in seinem Pamphlet „Empört euch!“, 2010).

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Und die militanten Zuckerschnuten, die medial gehypten Priester der Gewalt, die wahrscheinlich nach einer ganz profanen Maulschelle schon in lautes Klagen ausbrächen, sollten eingesammelt und als soldatisches Futter an die jeweilige Front gebracht werden, die sie als alternativlose Angelegenheit anpreisen. Noch besser formulierte es kürzlich ein russischer General. Er bat, ihm die Kinder der Eliten auf beiden Seiten der Front zum Kampf frei zu geben, und er prognostizierte das Ende des Krieges in wenigen Tagen.

Soviel zur unmittelbaren Erfahrung.

Gerhard Mersmann
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Gerhard Mersmann, Dr. phil., (Jahrgang 1956), gebürtiger Westfale, ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen.

Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Publizistische Aktivitäten durchziehen seine gesamte Biographie. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse sind auf seinem persönlichen Blog M7 regelmäßig nachzulesen. >> https://form-7.com/ .


Bertolt Brecht (Rede für den Frieden 1952)

»Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. Die Beschreibungen, die der New Yorker von den Gräueln der Atombombe erhielt, schreckten ihn anscheinend nur wenig.

Buendnis-90-Gruene-an-die-Ostfront-B90G-Kriegspartei-Ukraine-ukrostan-Kriegshetzer-Kriegstreiber-Kriegstreiberpartei-Waffenhaendlerpartei-Bellizismus-Kritisches-NetzwerkDer Hamburger ist noch umringt von den Ruinen, und doch zögert er, die Hand gegen einen neuen Krieg zu erheben. Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen. Der Regen von gestern macht uns nicht nass sagen viele. Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod. Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote, wie Leute, die schon hinter sich haben, was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.

Und doch wird nichts mich davon überzeugen, dass es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!

Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.«


► Quelle: Dieser Beitrag wurde am 7. April 2024 erstveröffentlicht auf https://form-7.com/ >> Artikel. Eigentümer, Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich ist Gerhard Mersmann.

ACHTUNG: Die Bilder, Grafiken, Illustrationen und Karikaturen sind nicht Bestandteil der Originalveröffentlichung und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten folgende Kriterien oder Lizenzen, siehe weiter unten. Grünfärbung von Zitaten im Artikel und einige zusätzliche Verlinkungen wurden ebenfalls von H.S. als Anreicherung gesetzt, ebenso die Komposition der Haupt- und Unterüberschrift(en) geändert.

► Bild- und Grafikquellen:

1. Gesellschaftliche Regression: Fortschritt, Fortschritt bedeutet nicht, fortgeschritten zu sein, sondern fortzuschreiten. Insofern ist die Atomisierung der Gesellschaft, wie wir sie momentan erleben können, das größte Rollback seit Beginn der Moderne. Unter technisch exzellenten Voraussetzungen versteht sich.

Interessant ist auch, dass man aus der Ferne begonnen hat, sich zurückzulehnen und Wetten abzuschließen, wie lange eine Gesellschaft eine solche Entwicklung (Spaltung / Zersetzung) wohl aushält. Ob sie weiter den Weg beschreitet, der im Fiasko endet oder ob es Kräfte gibt, die in der Lage sind, das Ruder noch einmal herumzureißen.

Foto: Mike Chai / mikechai_photography, Hong Kong. Quelle: Pexels.com/de. Pexels-Lizenz: Du kannst alle Fotos und Videos auf Pexels kostenlos verwenden. Eine Namensnennung ist nicht erforderlich. Dem Fotografen oder Pexels zu erwähnen ist also nicht notwendig, aber wir freuen uns immer. Du kannst die Fotos und Videos auf Pexels ganz nach Wunsch ändern. Lass deiner Kreativität freien Lauf und ändere sie ganz nach Belieben. >> Foto.

2. DHL-Paketzusteller neben Lieferfahreug: Der Onlinehandel führt zu einem stark steigenden Lieferverkehr, der oft auch für Stadt und Umwelt ineffizient durchgeführt wird. Viele halbleere Kleinlaster kurven durch die Straßen. Foto: Christoph Scholz. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

»Beim täglichen Einkauf muss man nicht mehr ins Geschäft gehen, trifft niemanden auf dem Weg dorthin, muss sich nicht bei der Auswahl von Waren beraten lassen, steht nicht an der Kasse, beobachtet keine anderen Menschen mehr, sieht nicht, was sie kaufen, hört nicht, wie sie kommunizieren und macht sich kein unmittelbares Bild von den Verhältnissen im eigenen Quartier. Einfach online bestellen und ein schlecht bezahlter armer Teufel liefert alles direkt an der Haustür ab. Und auch mit dem findet kein Gespräch mehr statt. Es scheitert zumeist schon an der Sprachkompetenz.« (-Gerhard Mersmann).

3. NO WAR. Die richtige Seite? Gegen den Krieg! Illustration: JuliusH / Julius H., Niedersachsen. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Illustration.

4. TIME TO REVOLT!  Foto: Christian Mayrhofer, Wien/A - Dalmatiner Archie. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

5. Grüne an die Ostfront: Unfassbar, wie aus einer einstigen natokritischen Friedenspartei die skrupelloseste Kriegshetzer und Waffenhändlerpartei aller Zeiten wurde, die über ukrainische Leichen geht und selbst das Klima ad acta legt ... Grüne an die Ostfront: Unfassbar, wie aus einer einstigen natokritischen Friedenspartei die skrupelloseste Kriegshetzer und Waffenhändlerpartei aller Zeiten wurde, die über ukrainische Leichen geht und selbst das Klima ad acta legt ... Foto: Pommes Leibowitz. Quelle: Flickr. Die Datei ist mit der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0) lizenziert.