Das Massaker von Odessa vor neun Jahren
Nicht nur die Täter, auch die Verschweiger sind schuldig
► Von Dagmar Henn
Neun Jahre ist er her, der zweite Mai 2014 in Odessa. Neun Jahre, in denen das Verbrechen nicht geahndet wurde; im Gegenteil, in denen es beinahe unter den vielen Folgetaten verschwand. Aber das Datum bleibt eine Wegscheide, an der der Westen sich entschied, die Verbrecher zu stützen.
Löscht ein Schrecken den anderen aus? Verblassen die Bilder mit der Zeit? Neun Jahre liegt das Massaker von Odessa inzwischen zurück; entschwindet es nicht langsam in der Erinnerung?
Nach wie vor ist es das abstrakteste Bild, das jenen Tag am deutlichsten zeigt, den 2. Mai 2014 in Odessa. Die Spuren von Händen im Ruß, Hände, die erst verzweifelt nach oben greifen und dann abwärtsrutschen. Es ist kein Blut auf diesem Bild, keine Körper, keine Täter und keine Opfer; aber es drückt Überraschung, Entsetzen und Hilflosigkeit aus, Gefühle, die im Innern des Gewerkschaftshauses ebenso überwältigend gewesen sein dürften wie außerhalb bei all jenen, die die Ereignisse verfolgten.
Sofern sie nicht zu den Tätern gehörten. Oder zu ihren Unterstützern. Zu jenen, die an diesem zweiten Mai in den deutschen Fernsehanstalten das Rohmaterial sahen und entschieden, es nicht zu zeigen.